Die erzgebirgische
Sprache
Die erzgebirgische Mundart ist im deutschsprachigen Raum an
sich unbekannt und wird deshalb gerne mit dem sächsischen Dialekt verwechselt.
Dieser wiederum wird gerne belächelt.
Fakt ist
aber, dass es immer weniger Menschen in unserer Region gibt, die sich bewusst
der erzgebirgischen Mundart bedienen. Immer öfter
werden typische erzgeb. Redewendungen durch
hochdeutsche Elemente ersetzt. Das Ergebnis ist tatsächlich ein sächsisches
Sprachgebräu, dass an sich auch nur Spott verdient – ein „Chemnser“
Dialekt (nor?!).
Die ur-erzegebirgische Mundart ist historisch entstanden aus
Grundelementen der sorbischen Sprache und der sprachlichen Durchmischung
aufgrund der Neubesiedlung des Erzgebirges im Zuge der Ostkolonisation im
12./13. Jh.. Hauptsächlich kamen die oberfränkische
Mundart, aber auch mittelhochdeutsche Elemente und Einflüsse von der böhmischen
Südseite des Erzgebirges hinzu.
Mit der
zunehmenden Übervölkerung durch das Aufblühen des Bergbaus ab dem 15. Jh. und
des damit verbundenen regen Verkehrs zwischen den Bergstädten kommt es zu einer
starken Vermischung und Vereinheitlichung des der erzgebirgischen
Sprache. Wir unterscheiden die osterzgebirgische, die
westerzgebirgische und die vogtländische
Sprache. Angrenzend zum westerzgebirischen
Sprachraums finden wir im Südwesten den egerländischen
und im Süden den westböhmischen Sprachraum.
Seit dem
19. Jh. wird die westerzgebirgische Sprache von der
obersächsischen Mundart durchmischt und regelrecht „ausgelöscht“. Es sind vor
allem die Industrie und der Handel, die von den großen Metropolen Leipzig,
Dresden und Chemnitz Richtung Gebirge vordringen.
Man kann
also heute noch verschiedene regionale Abwandlungen der erzgeb.
Mundart wahrnehmen. So wird im Zwönitztal von
Niederzwönitz bis Burkhardtsdorf ein ähnliches Erzgebirgisch,
wie teilweise noch in Zwickau gesprochen, während von Zwönitz über Lößnitz bis
Aue bereits eine Mundart mit vogtländischen Einschlag
gesprochen wird (ä wir zu a = Zwäntz’ zu Zwantz usw.). Der
Übergang des vogtländischen Dialekts mit seiner
melodiösen Klangfärbung über Hof ins Hochfränkische ist absolut fließend.
Kommt man
vom Zwönitztal nach Hormersdorf,
Auerbach, das sind 5 km, so ist das sprachlich eine völlig andere Welt: Hier
werden ganze Laute gleich weggelassen, wie z.B. das „R“ (Schlitzenziehe_
= der Schraubendreher). Eigenwillige Systematik bei der Darstellung der Uhrzeit
sind auch typisch: „Zah’ Ziffern Zahne“ = 9.50 Uhr
(Anm. Wolfgang Franke: „… es gibt viertel, halb, dreiviertel und um. Die
Ziffern nennt man 1, 2, 4, 5, 7, 8, 10, 11“, Danke Wolfgang. Die Ziffern
beschreiben die Position des großen Zeigers, die zweite Zahl ist die folgende
volle Stunde).
Einige
typische erzgebirgische Wörter mit nachweislich
sorbischen bzw. slawischen Urprungs, die heute noch
verwendet werden:
Halde
(bergmännisch, Aufschüttung von Gesteinen) „halda“ =
der Weiler
Perl
(bergmännisch, Breithammer) „perlik“
Kaue
(bergmännisch, das Stollenhaus) „kavna“ = die Hütte
Tscherper
(bergm. Messer) „serp“ =
die Sichel
Nusche (bergmännisch,
schlechtes Messer, Kuttennusche) „nuz“
= das Messerchen
Schragen
(Holz schragen, ein bestimmtes Maß Holz festlegen) „srag“ = das Gestell (zum Messen des Holzes)
Bähnert
(runder Korb) „bane“ = der Flechtkorb
Latschen
(schlechte oder geringe Schuhe) „hlacice“ = Strümpfe
Hütsche
(kleine Bank) „hecna“ = niedere Bank
Hurkel
oder Huckel (Hügel, Buckel) „hurka“
Schlottig,
schlottrig (Lumpengesindel, verlumpt) „Slota“ =
Gesindel
Klike
(die Gesellschaft) „ klika“ = das Gespann, das Joch
Schmand
(Schmutz) „smanta“
Lätsch
(falsch) „lezny“ = falsch
Quatsch
(Unfug) „kvac“ = das Gekrächze
Hätscheln
(auf dem Arme schaukeln) „hejckam“
Bischen
(das Kind auf dem Arm einsingen) „pisenka“ = das Lied
Pitzeln
(mit stumpfem Messer schneiden) „piclam“
Anfuzen
(jemand grob anreden) „fucim“ = sausen
Balzen
(hitzig sein) „palcivy“
Pomäle
(schön gemütlich, behaglich, bequem) „pomalu“ =
langsam
Im
Heimatbuch von Albin Schwind 1940, „Das Erzgebirgsdorf Beutha
und seine Geschichte“, findet sich eine sehr schöne Beschreibung der erzgebirgischen Mundart.
Es heißt dort:
…Beutha spricht die erzgebirgische
Mundart. Die Lautveränderungen sind also im
Wesentlichen die gleichen wie im ganzen Erzgebirge. Folgende Übersicht beweist
es:
Hochdeutsch: Mundart: Beispiele:
A O Hase – Hos
O U Hose
– Hus
E langes
A Leben –
Lam (Labn, hg.)
I E
oder Ä wird
– werd, Kirchen – Kärschen
AU
und EI langes
A (*auch Ä, hg.) Laub – Lab,
klein – kla (*klä!)
EU
und ÄU EI Heu
– Hei, Säue – Sei
(aber:
Bäume – Bam!)
Ä langes
A oder E Mädchen –
Mädel, gesät – geseet
Ö Ie oder E böse
– bies, größer – gresser
Ü I Brücke
– Brick
J G jung
– gung
G CH Jäger
– Gacher
T,
P D,
B Beutha – Beide
PF
am Wortende P Topf
– Top
ND,
NT NN Kinder – Kinner,
hinter – hinner
..iegn, ..egen ..ieng, ..eng liegen
– lieng, Regen – Re(e)ng
..augen, ..auchen ..ang saugen –
saung, rauchen – ra(a)ng
..chen, ..lein ..el Rädchen
– Rädel, Röslein – Resel
E
am Ende d. Wortes _ Ente
– Ant_, Gänse – Gäns_
Abweichungen
bestätigen auch hier die Regel.
Es
finden sich auch Worte, deren Grundform im Hochdeutschen nicht vorhanden ist,
z.B.: ar is wieder inzoot = er ist nach längerer Abwesenheit wieder da. „Flesch ner net
meh“, sagt die Mutter dem Kinde, das gar nicht mehr
mit Weinen aufhören will. Für „weinen“ gibt es auch noch einen anderen
Ausdruck: „grinsen“. „Sieder dar Zeit ho ich Ruh“, behauptet ein Alter, der
endlich ein Mittel gegen das Reißen gefunden hat. Die Gänse kommen sofort, wenn
sie „bile, bile“ gerufen
werden. Hat einer vom anderen was bekommen, so fragt er wohl: „Wos bie iech
dä schillig (schuldig)?“.
„Drei Tuhrn Borkert!“, ruft
der Tanzmeister in den Saal hinein. Klingt das nicht heimatlicher, als das
gezierte „Damenwahl“, das auf dem Dorftanzboden ganz fehl am Platz ist. Die
Kinder bekommen keine Bemme, sondern eine „Fietz“.
Seltsam
ist es, dass nur eine halbe Stunde übern Berg drüben, in Oberdorf, in der
Aussprache mancher Wörter ein scharfer Unterschied zur Beuthaer
Sprechweise wahrzunehmen ist. Das betrifft namentlich das hochdeutsche „ei“. Wo
der Beuthaer „naa“, „Flasch“, „Baa“ spricht, sagt der Oberdorfer „nä“, „Fläsch“, „Bä_“ (nein, Fleisch,
Bein). … Die Beutha-Oberdorfer Grenze trennte
zugleich das Schönburgische Gebiet vom Lande Sachsen,
so dass Oberdorf für Beutha schon Ausland war.
Zweifellos war es auch ein anderer Zweig der Mainfranken, der von Stollberg aus
die Täler aufwärts besiedelte.
„Mundart
ist Sprachgebung innerhalb einer Gemeinschaft. Sie
beruht auf Eigenheiten des Sprachklangs.“ (Frenzel,
Karg und Spamer „Grundriß
der Sächsischen Volkskunde“).
Alles
Sprechen ist im Grunde ein Singen mit mehr oder weniger wechselnder
Melodieführung; jeder deutsche Stamm wirft dem anderen vor, dass er beim
Sprechen singe, er selbst merkt es gar nicht. Die Ausschläge der Satzmelodie
der Beuthaer Mundart beträgt
3 bis 5 Töne. …