900 Jahre Haus Wettin und Sachsen

Am 1. Februar des Jahres 1089 wurde in der Reichsstadt Regensburg — eine entsprechende Urkunde befindet sich heute im Niederländischen Staatsarchiv Amsterdam — der Wettiner Heinrich von Eilenburg durch Kaiser Heinrich IV. mit der Markgrafschaft Meißen belehnt. Damit war der Grundstein für die Entwicklung der wettinischen Dynastie und auch des sächsischen Staates insgesamt geschaffen.

Das Haus Wettin stammte ursprünglich wohl aus Franken und wanderte im Zug der mittelalterlichen Ostkolonisation in das eroberte Sorbenland zwischen Elbe und Saale ein. Im Hochmittelalter besaß es als Eigentümer der Burgwarte Wettin, Löbejan und Brehna erhebliche politische Bedeutung. Bereits vor Heinrich von Eilenburg hatte dieses fürstliche Geschlecht, das von einigen Forschern sogar auf die Merowinger zurückgeführt wird, mit Dedi (914-957) und Dietrich von Buzici zwei urkundlich nachweisbare wichtige Vertreter. Die gleichnamige Burg Buzici befand sich an der Einmündung der Bode in die Saale im südlichen Harzvorland und ist wahrscheinlich in der Gegend von Grimschleben zu suchen. Dedi von Zörbig vererbte diese Burgwarte seinem Sohn Dietrich II., der nach dem Tod seines Onkels Friedrich 1017 zusätzlich Eilenburg und die Grafschaft im Susaligau erhielt. Dietrich wurde 1033 auch noch Markgraf der Lausitz.

Ihm folgte ein Jahr später in diesem Amt und den übrigen Besitzungen mit Ausnahme von Wettin und Brehna sein ältester Sohn Dedi 11 (1046-1075). Dagegen erhielten die jüngeren Söhne Thimo und Gero die in unmittelbarer Nähe der Saale gelegenen Burgwarte Wettin und Brehna. Dedi selbst verlor allerdings vorübergehend die Lausitz. Doch konnte dessen Sohn Heinrich von Eilenburg dieses Gebiet vom Kaiser wieder zurückerhalten. Heinrich war es dann auch, der 1089 mit der Mark Meißen belehnt wurde.

Noch bis in die Gegenwart erinnern die Burg Wettin bei Halle an der Saale, das ehemalige Stammkloster Petersberg mit der ältesten Begräbnisstätte der Wettiner, die Meißner Albrechtsburg und der Meißner Dom an diese frühe Geschichte des Hauses Wettin. Dasselbe gilt auch für den Titel »Markgraf von Meißen«, den seit 1932 der jeweilige Chef des Hauses Wettin-Albertinische Linie zur Dokumentierung seines Anspruches auf den sächsischen Königsthron trägt.

Für die weitere Geschichte des Hauses Wettin wurde die Tatsache wichtig, daß Kaiser Sigismund aus dem Hause Luxemburg am 6. Januar 1423 Markgraf Friedrich IV. den Streitbaren mit der Kurwürde betraute. Dieses Recht bedeutete für das Gesamthaus Wettin insgesamt die Landeshoheit, die Befreiung vom Königsgericht und die Unteilbarkeit. Damit erfüllten sich wichtige Vorbedingungen für eine Staatenbildung zumindest im Bereich des Kurkreises Wittenberg.

Folgenreich erwies sich ferner die Teilung der wettinischen Erblande im sächsisch-thüringischen Raum zwischen Kurfürst Ernst dem Frommen und seinem jüngeren Bruder Herzog Albrecht dem Beherzten am 26. August 1485. Seither bestehen die Ernestinische Linie, die bis 1945 vorzugsweise in Thüringen beheimatet war, sowie die Albertinische Linie, die bis 1918 im Königreich Sachsen regierte und durch Kurfürst Moritz nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 in den Besitz des Kurkreises Wittenberg und damit der Kurwürde kam. Von da an waren die seit 1539 evangelischen Albertiner bis 1806 Kurfürsten von Sachsen und bis 1918 Könige von Sachsen, während die Ernestiner als Großherzöge bzw. Herzöge in Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Coburg-Gotha, SachsenMeiningen-Hildburghausen und Sachsen-Altenburg ebenfalls bis 1918 regierten.

Beachtlich ist, daß die durch den Übertritt August des Starken als Vorbedingung seiner Wahl zum polnischen König 1697 wiederum katholisch gewordenen Albertiner sich besonders um kulturelle und künstlerische Belange kümmerten. Dafür liefern neben August dem Starken fast alle sächsischen Kurfürsten und Könige eindrucksvolle Beispiele. Einen Höhepunkt stellte die unter dem Namen »Augusteisches Zeitalter« bekannte Epoche August des Starken und seines Sohnes Friedrich August II. dar. Diesem Zeitraum von 1694-1763 verdankt das barocke Dresden trotz der Zerstörungen von 1945 so berühmte Bauten wie den Zwinger, die katholische Hofkirche oder die am Ende des Zweiten Weltkrieges völlig vernichtete Dresdner Frauenkirche. Dazu kamen die weltberühmten Kunstsammlungen wie das Grüne Gewölbe im Albertinum, die Meißner Porzellansammlung im Zwinger oder die Gemäldegalerie Alter Meister.

Aber auch politisch gesehen besaß das Augusteische Zeitalter insofern erhebliche Bedeutung, als die beiden sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. der Starke und Friedrich August II. die polnische Königskrone trugen und somit neben dem Habsburger Reich und Brandenburg-Preußen jenseits der Reichsgrenzen europäische Großmachtpolitik betrieben. Das bedeutete, daß das gewerbereiche Sachsen ein Bündnis mit dem agrarisch orientierten Königreich Polen einging. Damit bestand auch für die Volkswirtschaften beider Länder die Möglichkeit zu einem äußerst wertvollen gegenseitigen Handelsaustausch. Mit Recht kann daher auch von einer Epoche der »Polnischen Könige« in Sachsen gesprochen werden. Trotz zahlreicher kriegerischer Auseinandersetzungen und erheblicher finanzieller Opfer konnte diese Union zwischen Kursachsen und Polen bis 1763 fortgesetzt werden und nochmals während der Napoleonischen Ära eine Renaissance erleben.

Das sächsische Königshaus Wettin-Albertinische Linie spielte außer in den Bereichen Kultur und Politik auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik eine wichtige Rolle. In dieser Beziehung sind Herzog Georg der Bärtige, Kurfürst August — der erste »Volkswirt Sachsens« —, Kurfürst Johann Georg II., der Kurfürst-König Friedrich August I. der Starke und Kurfürst Friedrich Christian anzuführen. Im 19. und 20. Jh. waren es König Johann von Sachsen, sein Sohn König Albert und Sachsens letzter König Friedrich August III.

Militärische Führer unter den Wettinern waren dagegen verhältnismäßig selten. Als ausgesprochene militärische Talente können die Kurfürsten Moritz, Johann Georg I., Johann Georg III., König Albert und König Georg bezeichnet werden.

Insgesamt ist daher zu sagen, daß im Hause WettinAlbertinische Linie besonders während des 19. Jahrhunderts auf dem Gebiet der Kultur, Politik, Wirtschaftsund Sozialentwicklung durch seine Repräsentanten auf dem Königsthron überregional wesentliche Leistungen vollbracht wurden. Diese erwiesen sich vielfach so bahnbrechend, daß der Mittelstaat Sachsen in der Tat als beispielgebend für andere deutsche Länder bezeichnet werden kann. So ist auch die von uns zu behandelnde Zeit von 1763 bis zum Tode König Friedrich August III. im Jahre 1932 besonders bedeutsam für die deutsche und europäische Geschichte.

München, im Juli 1989

Albert Prinz von Sachsen Herzog zu Sachsen

Auszug aus der Einführung zum Buch

„Die Albertinischen Wettiner – Geschichte des Sächsischen Königshauses 1763-1932“

Albert Prinz von Sachsen Herzog zu Sachsen