Es ist nicht so einfach, etwas zu reproduzieren, wofür man keine Vorlagen oder Vergleiche hat. Wie hat es wohl geklungen, als sich unsere Vorfahren vor 850 Jahren unterhielten, wenn sie Lieder sangen...

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Der historische Film

Natürlich versuchen wir es trotzdem, denn Anhaltspunkte gibt es doch einige. So schrieb man im Mittelalter zwar wenig (nur wenige waren dieser Kunst überhaupt mächtig), aber wenn, dann schrieb man, wie man sprach. Außerdem wurden Lieder und Dichtungen überliefert, die teilweise in Noten geschrieben sind. Auch wenn unsere heutige moderne Notation sehr viel anders ist, so ist sie doch in ca. 1000 Jahren aus diesen mittelalterlichen Lied-Überlieferungen entstanden und gewachsen und deshalb nachvollziehbar. Wir betreten eine ausgestorbene Sprach- und Klangwelt.

Natürlich können wir nur in etwa nachvollziehen, wie ein Walther von der Vogelweide in Wort und Lied geklungen hat. Auch werden die nachgebauten Instrumente heute eine höhere Qualität als vor 850 Jahren haben. Auch ist die Meisterlichkeit, wie wir heute musizieren, mit der einer Jahrmarktdarbietung im Mittelalter kaum vergleichbar...denken wir...aber wir wissen es nicht. Man kann sich auch täuschen... 

“Mir hât her Gêrhart Atze ein pfert erschozzen...”

Walther von der Vogelweide (1170-1230)

Interpretation/Aufnahme: IOCULATORES

Lieder und Tänze des 13. bis 15. Jahrhunderts

links: Neumen-Notation 9. bis 11. Jh.

oben: Modal-Notation 1150 bis 1250

rechts: Walther von der Vogelweide

Zweihundert Jahre später hat sich am Klangbild nicht viel geändert bis zur Renaissance-Zeit verwendet man aber eine andere Art, Liedgut zu notieren. Aus dieser sogen. Mensural-Notation entwickelte sich unsere heutige Notation. So wurden Lieder und Musikstücke recht original bis heute reproduzierbar. Vieles davon ist heute wie selbstverständlich z.B. im Gottesdienst zu hören (Liturgien, Lieder etc. teilweise ca. 500 Jahre alt). Hier ein bedeutender Sänger und Dichter des Spätmittelalters: Oswald von Wolkenstein, 1377-1445, Ritter, Dichter und Sänger. Man sagt ihm nach, trotz seiner Muse, ein recht grober Klotz gewesen zu sein. Seine Lieder waren meist autobiographisch und sollten ihn verherrlichen. Als Beispiel ein lustiges Trinklied:

“Wol auff wir wellen slauffen...”

Oswald von Wolkenstein (1377 - 1445)

Interpretation/Aufnahme: IOCULATORES

Lieder und Tänze des 13. bis 15. Jahrhunderts

llinks: eine Mensural-Notation, wie sie von 1300 bis 1600 verwendet wurde. Aus ihr entwickelt sich das heutige Notenbild.

Mitte: Oswald von Wolkenstein, 1377 - 1445

rechts: Psalmen-Notation, ev.-luth. Kirchengesangbuch 1983 

Die Informationen zu den historischen Notationen sowie die Bilder stammen von Karen Thöhle ( www.mittelalter-recherche.de ).

Jetzt machen wir einen großen Zeitsprung. Wir lassen das Mittelalter, die Renaissance-Zeit, Barock und Rokoko zurück, springen noch schnell über die Romantik des 19. und 20. Jh. (all diese Epochen sind sprachlich und musikalisch gut erschlossen und dokumentiert) und landen direkt in der Neuzeit - genauer in der Zeit zwischen 1. und 2. Weltkrieg - also 1. Drittel des 20. Jh.. Wir finden hier einen Vertreter des Erzgebirges, der unsere Sprache und Kultur wie kein anderer beeinflusst hat. Ihm ist zu verdanken, dass die erzgebirg. Mundart in das Volksmusikgut eingegangen ist. Zugleich ist er einer gewesen, der diese Mundart zu allererst kommerziell genutzt hat. Er ist sowohl Dichter als auch berühmter Sänger des Erzgebirges: Anton Günther (1876 - 1937). Wir wollen hier nicht auf seine Biographie eingehen. Dies kann man kaum besser, als auf der offiziellen Website der Nachfahren von Anton Günther: www.anton-guenther.de . Seine Sprache ist auf einigen seltenen Schellack-Platten-Aufnahmen erhalten. Es ist eine ursprüngliche erzgebirgische Sprache, wie sie vom Kamm des Gebirges, zwischen Böhmen und Sachsen, gesprochen wurde.  

”Weihnachtsfried’n” aufg. 1921

Anton Günther “Drham ist drham”

Saxonia Tonträgerproduktion, Verlag Friedrich Hofmeister

“Vergaß dei Haamit net” aufg. 1921

Anton Günther “Drham ist drham”

Saxonia Tonträgerproduktion, Verlag Friedrich Hofmeister

“’s is Feierobnd” aufg. 1931

Anton Günther “Sänger des Ergebirges”

B.T.M. Musikproduktion, Verlag Friedrich Hofmeister

“ Der alte Seff hot Bier gefahrn...” aufg. 1970

Anton Günther “Sänger des Ergebirges”

gesprochen von Erwin Günther (1909-1974)

B.T.M. Musikproduktion, Verlag Friedrich Hofmeister

“Wie ich a klaaner Gong noch war...” aufg. 1970

Anton Günther “Sänger des Ergebirges”

gesprochen von Erwin Günther (1909-1974)

B.T.M. Musikproduktion, Verlag Friedrich Hofmeister

“Allerhand ve der Guttsgoh...” aufg. 1970

Anton Günther “Sänger des Ergebirges”

gesprochen von Erwin Günther (1909-1974)

B.T.M. Musikproduktion, Verlag Friedrich Hofmeister

Original Autogramm-Postkarte ca. 1920, die Unterschrift ist handsigniert

Anton Günther vertrieb anfangs als Selbstverlag seine Musik in Form von Liedpostkarten. Die Liedpostkarte mit dem berühmten Lied “’s is Feierobnd” habe ich mir von Anton Günther Lehmann, dem Enkel von Anton signieren lassen. hg.