Der
Zwönitzer Müller hatte eine schöne Tochter, die dem Förster zu Grünhain sehr
zugetan und versprochen war. Der junge Mann hatte sich aber bisher wenig um die
Familienverhältnisse seiner Verlobten gekümmert und wußte
nicht, daß sie einen Bruder. hatte, der aus der
Müllerfamilie ausgestoßen war, weil er ohne Erlaubnis des.Vaters
die Tochter eines Scharfrichters geehelicht hatte. Mit der Familie eines
Henkers wollte niemand etwas zu tun haben, da dieses Gewerbe als unehrenhaft
galt.
Das junge
Mädchen sah ihren Bruder selten und bedauerte es sehr, Weil sich beide gut
verstanden. Eines Tages hatten sich der Förster und die Müllerstochter
in einer Schenke zum Tanz verabredet. Dort traf das Mädchen unvermutet ihren
Bruder mit dessen Frau. Und da sich der Förster verspätete, tanzten die
Geschwister einige Male miteinander. Bald kam der junge Förster angeritten und
eilte in den Tanzsaal. Da sah er seinen Schatz in den Armen eines Fremden, mit
dem sie lachte und scherzte. Rasende Eifersucht ergriff den Grünrock. Er gab
vor, etwas im Walde verloren zu haben und lockte seine Braut auf den
Ziegenberg.
In der
Einsamkeit warf er seiner Verlobten Untreue vor, duldete keinen Widerspruch und
erstach die Unglückliche, ohne sich ihre flehenden Worte anzuhören. Mit
schwacher Stimme konnte die Sterbende nur noch beteuern, der angebliche
Liebhaber sei ihr Bruder. Entsetzt und verzweifelt warf sich nun der Förster
auf die ermordete Geliebte, konnte sie aber nicht mehr zum Leben erwekken.
Er ritt zur
Schenke, trat leichenblaß und mit blutigen Händen in
den Saal. In seiner Faust blinkte noch die Mordwaffe. Die Musik verstummte, und
mit Grabesstimme verkündete der verzweifelte Förster seine Tat und stellte sich
dem Gericht.
Die
Verhandlung war kurz. Der Kopf des Försters fiel in Grünhain unter dem Hieb des
Scharfrichters. Auf dem Fleck aber, wo die Tat auf dem Ziegenberg geschehen, wuchs ein Rosenstrauch, dessen weiße Blüten
nachts wie mit Blut besprengt aussahen.
In einer
Sagenballade heißt es:
Ein Rosenstrauch kündet noch heute
den Fleck,
wo die blutige Tat einst geschehen.
Die mildweiße Rose mit Blut
besprengt,
und die Blätter traurig zur Erde
gesenkt,
hat mancher bei Nacht ihn gesehen.
Nach der
Sage soll zu mitternächtlicher Stunde ein Reiter ohne Kopf von Grünhain her
angeritten kommen, kurze Zeit an den Rosen auf dem Ziegenberg verweilen und
dann wieder zum Grünhainer Richtplatz umkehren.
Selbstverständlich
lieferte diese alte Volkssage einen beliebten Unterhaltungsstoff bei
abendlichen Zusammenkünften. Auch das Puppentheater griff das sehr
wirkungsvolle Thema als „Rührstück" auf, und die Säle waren immer gut
besetzt, wenn „Der Förster aus Grünhain" oder „Der Mord aus Eifersucht —
ein Drama in vier Akten" angekündigt worden war. So ist der Reiter ohne
Kopf vom Zwönitzer Ziegenberg der bekannteste von allen „kopflosen" Gesellen
der Gegend geworden.