Das
Adelsgeschlecht, aus dem Wiprecht kam und dessen Angehörige wegen der
Häufigkeit des Namens die Wipertiner genannt werden,
stammt aus der Altmark. Wiprechts Pflegevater Udo II., Graf der Nordmark,
tauschte den Burgward Groitzsch, zwischen Leipzig und Zeitz gelegen, gegen ein
nahes Erbgut ein. So wurde Wiprecht I. im Jahre 1073 Herr auf der alten
slawischen Burg Groitzsch und des dazugehörigen Burgwards. Diese Bezeichnung
trug damals ein militärisch organisierter Burgbezirk in der Grenzmark.
Wiprecht ließ eine neue Burganlage bauen, die heute zum Teil ausgegraben und
deren Rundkapelle der älteste Kirchenbau Sachsens ist.
Der
Fehderitter Wiprecht setzte sich rücksichtslos gegen seine adligen Nachbarn
durch. Als dabei die Jacobikirche in Zeitz in Flammen aufging, unternahm er als
reumütiger Pilger Bußfahrten nach Rom und zum Hauptverehrungsort
des heiligen Jacob in Spanien. Wenn auch die Stiftung des Benediktinerklosters Pegau 1096 gleichfalls als Sühneakt angesehen wird, so stand
doch dabei die Stärkung der eigenen Hausmacht im Vordergrund.
Die Burg
Groitzsch und das Kloster Pegau entwickelten sich
durch Wiprecht zu Mittelpunkten der Christianisierung der in der Gegend
lebenden heidnischen Sorben und der Besiedlung durch
deutsche Bauern, die vorwiegend aus Thüringen und dem Frankenland kamen, wo
Wiprechts Mutter Sigena zum zweiten Mal verheiratet
war.
Wiprecht
von Groitzsch ist eine historische Heldengestalt, sein Leben und sein Kampf ist
von vielen Legenden umwoben. Als Siedelunternehmer und Klostergründer griff er
auch in die Reichspolitik ein und strebte nach der Landesherrschaft im
sächsischen Raum.
Als treuer
Paladin des bedrängten Kaisers Heinrich IV. unterstützte er diesen, wenn auch
nicht ganz uneigennützig, im Kampf gegen die Adelsopposition und bei den
Auseinandersetzungen im Investiturstreit mit dem Papst Gregor VII. Nach dem
berühmten Canossagang Heinrichs im Jahre 1077 stand er gemeinsam mit Wratislaw von Böhmen auf der Seite des Kaisers gegen den
Gegenkönig Rudolf von Schwaben. Als Heinrich in der Schlacht bei Hohenmölsen
geschlagen wurde, halfen Wiprecht und der Böhme dem Kaiser bei der Flucht. Im
Kampfgetümmel hatte der Gegenkönig Rudolf eine tödliche Verwundung erlitten
und ihm war die Schwurhand abgehauen worden, was das Volk als Gottesurteil
ansah. Wiprecht begleitete den Kaiser auf mehreren Feldzügen und 1183 beim Zug
nach Rom. Die Sage berichtet, wie der Recke Wiprecht auf dem Schlachtfeld den
vom Feind hart bedrohten Kaiser durch persönlichen Einsatz rettete und mit List
durch einen pfiffigen Helfer die Erstürmung der römischen Stadtmauer nach
dreijähriger Belagerung bewerkstelligte.
Durch gute
Fürsprache erwirkte Wiprecht 1085 die Erhebung Wratislaws
zum ersten böhmischen König. Ein Jahr vorher hatte er des Böhmens Tochter
Judith geheiratet und dafür ein reiches Heiratsgut empfangen: den Elbgau
Nissan bei Dresden und die Landschaft Milsca um
Bautzen. Reiche Schenkungen erhielt Wiprecht auch vom dankbaren Kaiser, nämlich
die Burgwarde Leisnig und Colditz. Durch Erwerb thüringischer Gebiete herrschte
er schließlich über Ländereien großen Ausmaßes und übertraf damals die Macht
der Wettiner, der späteren sächsischen Landesherren.
Wahrscheinlich
ist Wiprecht von Groitzsch damals auch Statthalter und Landrichter im
Reichsterritorium Pleißenland gewesen, wozu unser
Gebiet gehörte. In dieser Zeit ließ er wohl die ersten Wegwarten im Erzgebirge
und seinem Vorland anlegen. Die sagenhaft überlieferten Geschehnisse um die
Burg Greifenstein könnten in diese Zeitspanne eingeordnet werden.
Wiprecht
rief damals die ersten deutschen Siedler in den mittelsächsisch-erzgebirgischen
Raum. So soll die Stiftung der Martinskirche und die
Besiedlung des Lungwitztales auf ihn zurückgehen. Ob
auch die Errichtung der ersten kleinen Sakralbauten als Wegkapellen, wie die
St. Blasiuskiche in Niederzwönitz und die Stollberger
Marienkirche, in diese Jahre schon eingeordnet werden kann, ist noch
unerforscht. Bei diesen Aktionen, der Sicherung der Wege und bei den Anfängen
der Besiedlung, hat es gewiß ein enges Zusammenwirken
Wiprechts mit seinem Schwiegervater, dem Böhmenkönig, gegeben.
Unter
Kaiser Heinrich V. begann der Abstieg der Wipertiner.
Wiprecht und sein Sohn Wiprecht II. wurden in Erbstreitigkeiten verwickelt und
fielen in eine lange Gefangenschaft des Kaisers. So saß Wiprecht I. gemeinsam
mit dem oppositionellen Erzbischof Adalbert von Mainz 1113 auf der pfälzischen
Reichsburg Trifels in ritterlicher Haft. Nach einer Heldensage soll das
Zerwürfnis zwischen Wiprecht und dem jungen Kaiser von einer Mutprobe herrühren,
der der alte Haudegen vom neuen Herrscher unterworfen wurde. Am Kaiserhofe ließ
man einen grimmigen Löwen auf densächsischen Grafen
los, der diesen zwar mit bloßen Händen überwältigte, aber fortan mit seinem
Herrscher haderte.
Erst nach
der Schlacht am Welfesholz im Wansfeldischen
1115 und dem Tod des jungen Wiprecht wendete sich wieder das Blatt zugunsten
Wiprecht I., der zwar in seine Rechte wieder eingesetzt und sogar zum
Markgrafen von Meißen und der Lausitz ernannt wurde, aber bei den folgenden
Machtkämpfen sich nicht mehr durchzusetzen vermochte. Seine letzten Tage
verbrachte Wiprecht im Kloster Pegau, wo er 1124
starb.
1118 hatte
Berta von Groitzsch, Wiprechts Schwiegertochter, die mit der Erhebung des
böhmischen Zolls ausgestattete Zwickauer Marienkirche gestiftet, damals der
Mittelpunkt des von Sorben in der Muldenaue
besiedelten Kleingaues und Pfarrsprengels.
Wiprechts
Sohn, Markgraf Heinrich, und seine Gattin Berta, eine Wettinerin,
warem 1137 die Gründer des Klosters Bürgel in Thüringen, von dem aus 1143 als Ableger das
Nonnenkloster Remse an der Mulde entstand.
Schließlich waren es Benediktinermönche aus Pegau
gewesen, die um 1136 von Kaiser Lothar III. bei der Stiftung des Klosters
Chemnitz herbeigerufen worden waren und einen bedeutenden Beitrag bei der
Entwicklung des Marktortes und der späteren Reichsstadt Chemnitz sowie bei der
Besiedlung und Kultivierung des Umlandes leisteten.
So
hinterließen Wiprecht und seine Familie sichtbare Spuren in der Frühgeschichte
unserer Heimat, mehr als die geringen sagenhaften Überlieferungen vermuten
lassen.